BEI DIESER HERBSTVORSCHAU KÖNNTE man fast den Eindruck bekommen, wir kehrten zu unseren geschichtspolitischen Wurzeln zurück, die das Verlagsprogramm in den zwei Jahrzehnten nach 1990 entscheidend geprägt haben. Wir haben nun allerdings den Schwerpunkt etwas verändert, Akzente verschoben und Perspektiven geweitet. So etwa mit der Neuveröffentlichung von C.L.R. James’ »Die Schwarzen Jakobiner«. 1938 erstmals erschienen, gehört es immer noch zu den einflussreichsten Darstellungen der einzigartigen haitianischen Revolution, in der sich versklavte Menschen aus eigener Kraft die Freiheit erkämpften. Wir freuen uns sehr darüber, auch weil wir hier Neuland betreten, indem wir dieses Buch in Kooperation mit dem Berliner Verlag b_books herausgeben.
Karl Liebknecht, der Mitstreiter von Rosa Luxemburg, wurde am 13. August vor 150 Jahren geboren. Wir wollen mit einem Band aus der Reihe »Biografische Miniaturen« an ihn erinnern. Der Herausgeber Klaus Gietinger wirft ein überraschendes Licht auf diese im Schatten von Luxemburg stehende Persönlichkeit: Keiner habe als Kommunist die marxsche Theorie schärfer kritisiert als Liebknecht.
An die Auseinandersetzung mit den gescheiterten sozialistischen Experimenten des vergangenen Jahrhunderts in Europa – dem Schwerpunkt von Dietz Berlin nach der »Wende« – knüpft Ulrich Schöler an, wenn auch dieses Mal aus dezidiert sozialdemokratischer Sicht. Seine materialreiche Darstellung der Diskussionen in der deutschen und österreichischen Sozialdemokratie über die Entwicklungen in Sowjetrussland zwischen 1917 und 1929 spürt implizit dem Ausmaß der legitimatorischen Verweltanschaulichung marxschen Denkens nach und zeigt, wie lohnenswert es ist, dieses Denken aus dogmatischen Zwängen zu befreien.
Auf einem anderen Feld, nämlich der Mittelalterforschung, führt Ludolf Kuchenbuch das vor. »Marx, feudal« versammelt Texte Kuchenbuchs aus über 40 Jahren, die belegen, wie fruchtbar es sein kann, mit Marx gegen Marx zu argumentieren.
Grundlage für den neuen Band in der Reihe »Analysen« ist Friedrich Engels’ 1872 veröffentlichter Text »Zur Wohnungsfrage«. Ausgehend von dieser Schrift spannt der Sozialwissenschaftler und Stadtaktivist Andrej Holm den Bogen von historischen Wohnungsfragen zu aktuellen Konflikten und zeigt, dass trotz aller Veränderungen das Wohnen keine Privatsache ist, sondern als eine gesellschaftspolitische Herausforderung verstanden werden muss.
Abgerundet wird unser Herbstprogramm durch Amy E. Wendlings Untersuchung über Technologie und Entfremdung bei Marx – eine weitere Neuerscheinung in der Reihe »Theorie«.
Wir hoffen, wir haben Ihr Interesse geweckt.
Martin Beck
Verlagsleiter