Rosa-Luxemburg-Stiftung (Hrsg.)

Rosa Luxemburg. Gesammelte Werke Band 1 – 7

  • Veröffentlichung: 1. Januar 1988
  • Seiten: 6214
  • Band 1 und 7 werden jeweils in zwei Teilbänden ausgeliefert.
  • ISBN: 978-3-320-00761-4

449,10

Band 1/1
Der Band 1/1 enthält das Frühwerk Rosa Luxemburgs von 1893 bis zum Jahre 1900, also bis zu ihrem 29. Lebensjahr. In dieser Zeit lebte sie mit Leo Jogiches zusammen. Das anfängliche Lehrer-Schülerin-Verhältnis wandelte sich in diesem Jahrzehnt in eine Partnerschaft, die trotz aller Höhen und Tiefen bis zum Lebensende Bestand hatte.

Bei den Texten handelt sich zum einen um Rosa Luxemburgs deutschsprachige Arbeiten zur Lage in Polen und in der Arbeiterbewegung im russisch besetzten Teil Polens, darunter erste Texte für »Die Neue Zeit«, herausgegeben von Karl Kautsky, sowie für die von Parvus-Helphand geleitete »Sächsische Arbeiter-Zeitung«. Ihre Dissertation »Die industrielle Entwickelung Polens« (1898) war zugleich ihre erste Monografie; mit ihr machte sie nicht zuletzt unter Nationalökonomen auf sich aufmerksam.

Diese Texte sind zumeist in Zürich verfasst, wo Rosa Luxemburg zwischen 1889 und 1898 mit Unterbrechungen studierte. Zum anderen finden sich in diesem Band Luxemburgs erste Berliner Arbeiten, darunter ihr gegen die Auffassungen Eduard Bernsteins gerichtetes Buch »Sozialreform oder Revolution?« (1899), durch das sie sowohl in der deutschen als auch in der europäischen Sozialdemokratie in die erste Reihe der Bewegung aufrückte und zur einzigen maßgeblichen Theoretikerin des Sozialismus wurde. Weitere Texte aus dieser Periode enthält Band 6.

Band 1/2
Der Band 1/2 enthält die Berliner Arbeiten Rosa Luxemburgs ab dem Jahre 1900 bis zum Ende 1905. Es sind die Jahre zwischen ihrem 30. und 35. Lebensjahr; in dieser Zeit entstanden keine Monografien – sie lebte als Journalistin und Rednerin und war – nun in Berlin – weiterhin mit Leo Jogiches zusammen. So wie in Zürich traten sie auch hier nicht offiziell als Paar auf.

Inhaltlich geht es in den Texten um die von Rosa Luxemburg abgelehnte Regierungsbeteiligung von Sozialdemokraten – der Anlass war der Eintritt des französischen Sozialisten Millerand in ein bürgerliches Kabinett im Juli 1899 –, um den Kampf der belgischen Arbeiterbewegung um ein demokratisches Wahlrecht (nicht zuletzt durch einen Generalstreik) und um die im Januar 1905 in Petersburg ausgebrochene russische Revolution, die schnell auf die industrialisierten Gebiete im russisch besetzten Teil Polens übergriff.

Von bleibender Bedeutung ist Rosa Luxemburgs erste öffentliche Auseinandersetzung mit Lenin in ihrer zweiteiligen Rezension seiner Arbeit »Ein Schritt vorwärts, zwei Schritte zurück« (1904), veröffentlicht in der »Neuen Zeit« unter dem Titel »Organisationsfragen der russischen Sozialdemokratie«. Rosa Luxemburg lehnte Lenins Konzept einer militärisch organisierten »Partei neuen Typus« grundsätzlich ab.

Es ist die Phase, in der Rosa Luxemburg zusammen mit Karl Kautsky und in großer Übereinstimmung mit ihm in der deutschen Sozialdemokratie als auch in der europäischen Sozialdemokratie in theoretischen Fragen als unumstrittene Instanz nachgefragt wurde. Weitere Texte aus dieser Periode, vor allem ihre Berichterstattung über die russische Revolution im »Vorwärts«, dessen Chefredakteurin sie Ende 1905 für zwei Monate war, enthält Band 6.

Band 2
Der Band 2 enthält die Arbeiten Rosa Luxemburgs ab dem Jahre 1906 bis zum Juni 1911. Es sind die Jahre zwischen ihrem 36. und 41. Lebensjahr. Rosa Luxemburg hatte sich seit Ende 1905 an der russischen Revolution beteiligt, war in Warschau verhaftet worden und blieb nach ihrer Freilassung den Sommer 1906 noch unter anderem mit Lenin und Sinowjew im russisch besetzten Finnland. Nach ihrer Rückkehr nach Berlin lebte sie weiterhin als Journalistin, Rednerin und ab 1907 jährlich im Wintersemester als Dozentin an der SPD-Parteischule.

Die Beziehung zu Leo Jogiches war schon vor dem Ausbruch der russischen Revolution gescheitert. Als neuer Partner trat Kostja Zetkin in ihr Leben, der Sohn ihrer Freundin Clara Zetkin. Das zentrale inhaltliche Thema dieser Jahre bildete der politische Massenstreik. Rosa Luxemburg hatte ihn und seine Erfolge in der russischen Revolution selbst erlebt. Es ist der einzige Band, in dem sich aber auch Übersetzungen aus dem Polnischen finden, darunter die wichtigen Arbeiten »In revolutionärer Stunde: Was weiter?« und »Was wollen wir? Kommentar zum Programm der Sozialdemokratie des Königreichs Polen und Litauens«.

Die wichtigste Arbeit aus dieser Zeit ist jedoch ihre Broschüre »Massenstreik, Partei und Gewerkschaften« (1906), in der sie versuchte, für die westeuropäische, nicht zuletzt für die deutsche Sozialdemokratie Schlussfolgerungen aus den Ereignissen während der russischen Revoution von 1905 zu ziehen. Es ist die Phase, in der – unmerklich – die Entfremdung Rosa Luxemburgs von Karl Kautsky und der deutschen Sozialdemokratie insgesamt einsetzte. Weitere Texte aus dieser Periode enthält Band 7/1.

Band 3
Der Band 3 enthält die Arbeiten Rosa Luxemburgs von Juli 1911 bis zum Vorabend des Ersten Weltkriegs im Juli 1914. Es sind die Jahre zwischen ihrem 41. und 44. Lebensjahr. Sie lebte weiterhin als Journalistin, Rednerin und im Wintersemester als Dozentin an der SPD-Parteischule. Die Beziehung zu Kostja Zetkin endete im Sommer 1912, im ersten Halbjahr 1914 begann sie eine neue mit ihrem Anwalt Paul Levi.

1912 hatte sich Rosa Luxemburg ihrer eigentlichen Profession zugewandt: der Nationalökonomie. Sie schrieb das Buch »Die Akkumulation des Kapitals« (1913, in Band 5 der Gesammelten Werke). Politisch blieb das zentrale Thema wie schon in den Jahren zuvor die Auseinandersetzung mit dem Instrument des politischen Massenstreiks. Daneben schob sich die immer größer werdende Kriegsgefahr in den Vordergrund. So war ab Herbst 1913 der Kampf gegen den Militarismus das alles beherrschende Thema.

Rosa Luxemburg erhielt wegen ihrer Agitation eine erneute Anzeige und wurde zu einem Jahr Haft verurteilt, die sie aber erst 1915/16 antreten muss. Es ist die Phase, in der sich die Entfremdung Rosa Luxemburg von Karl Kautsky und der deutschen Sozialdemokratie vollständig ausprägte. Seit 1912 hatte Luxemburg von der sozialdemokratischen Presse kaum noch Aufträge erhalten. Zusammen mit Franz Mehring und Julian Marchlewski gründete sie daraufhin eine eigene Pressekorrespondenz, die zweimal wöchentlich erschien und den Presseorganen fertige Artikel anbot, die gegen Vergütung nachgedruckt werden durften. Weitere Texte aus dieser Periode enthält Band 7/2.

Band 4
Der Band 4 enthält die Arbeiten Rosa Luxemburgs ab August 1914 bis zu ihrer Ermordung im Januar 1919. Es sind die Jahre zwischen ihrem 44. und 48. Lebensjahr, politisch die Jahre von Krieg und Revolution. Die längste Zeit davon verbrachte Rosa Luxemburg im Gefängnis – von Februar 1915 bis Februar 1916 und erneut ab Juli 1916 bis zum 9. November 1918.

Während der Haft schrieb sie drei Bücher, die zu Klassikern des antiautoritären Marxismus wurden: Zum einen ist es ihre 1915 angefertigte Analyse des Auf- und Abstiegs der europäischen Sozialdemokratie als einer politisch-sozialen Bewegung. Das Buch erschien mit dem Titel »Die Krise der Sozialdemokratie« 1916 in der Schweiz unter dem Pseudonym »Junius« und wird in der Literatur zumeist als »Junius-Broschüre« behandelt.

Zum zweiten antwortete Rosa Luxemburg den Kritikern ihres Werkes »Die Akkumulation des Kapitals« mit einem weiteren Buch, der sogenannten »Antikritik« (1915 verfasst, 1921 postum veröffentlicht, in Band 5 dieser Ausgabe); hier formulierte sie ihre Akkumulationstheorie vollständig aus. Und zum dritten legte sie mit ihrem Fragment gebliebenen Überlegungen zur russischen Revolution 1917 (verfasst September/Oktober 1918, 1922 postum veröffentlicht) die Grundlagen für eine sozialistische Kritik an der Politik der Bolschewiki.

Neben ihrer durch die Zensur laufenden Korrespondenz versorgte Rosa Luxemburg die illegal kämpfende Gruppe Internationale (Spartakusgruppe) durch Kassiber mit Artikeln für Zeitungen und Flugblätter. Ihr politischer Einfluss auf die Antikriegslinke war noch immer so groß, dass Rosa Luxemburg (zusammen mit Leo Jogiches) auch aus der Haft heraus die Bildung einer Splitterpartei nach dem Vorbild der Bolschewiki zu verhindern wusste.

Sie wollte in der SPD und damit bei den Arbeitermassen bleiben, um dort weiter um die Hegemonie zu kämpfen. Auch die 1917 erfolgte Gründung der USPD lehnte Rosa Luxemburg ab, fügte sich dann aber in das Unabänderliche. Die Revolution öffnete Rosa Luxemburg die Gefängnistür, erbrachte für sie aber keinen Einfluss auf das Geschehen. Eine Übernahme der Macht per Putsch lehnte sie ab. Rosa Luxemburg versuchte, ihre Anhänger auf einen längeren Kampf einzustellen. Wirkliche Veränderungen waren nicht über Nacht zu erreichen. Weitere Texte aus dieser Periode enthält Band 7/2.

Band 5
Sind in den Bänden 1 bis 4 die Texte Rosa Luxemburgs zwischen 1893 und 1919 in chronologischer Reihenfolge veröffentlicht, so ist Band 5 rein thematisch angelegt. Er beinhaltet die drei großen nationalökonomischen Texte Rosa Luxemburgs. Das sind im Einzelnen:

  • »Die Akkumulation des Kapitals« (1913)
  • »Die Akkumulation des Kapitals oder Was die Epigonen aus der Marxschen Theorie gemacht haben. Eine Antikritik« (1915 im Berliner Frauengefängnis Barnimstraße verfasst, 1921 postum veröffentlicht)
  • »Einführung in die Nationalökonomie« (hervorgegangen aus ihren Vorlesungen an der SPD-Parteischule [1907 bis 1914], 1925 postum veröffentlicht).

Weitere nationalökonomische Texte enthalten die Bände 6 und 7/1.

Band 6
Der Band 6 ergänzt die Bände 1/1 und 1/2 mit Texten Rosa Luxemburgs aus den Jahren 1893-1906, sowie den Band 5 mit weiteren Arbeiten zur Nationalökonomie. Neben Belegarbeiten aus der Züricher Studienzeit nimmt die Berichterstattung über das Frankreich der späten 1890er-Jahre, nicht zuletzt über die von Antisemitismus getriebene Dreyfus-Affäre, einen breiten Raum ein.

Auch polnische Belange, soweit sie sich im preußisch-deutsch besetzten Teil Polens abspielen, werden behandelt. Weit mehr als ein Drittel des Bandes ist jedoch gefüllt mit Berichten über die russische Revolution von 1905. Wer die Vorgeschichte der – am 4. August 1914 sichtbar werdenden – fast lautlosen Rückkehr der deutschen Arbeiterbewegung unter bürgerliche Dominanz verstehen will, sollte Luxemburgs Kommentare in der Rubrik »Aus der Partei« aus dem Jahre 1905 zur Kenntnis nehmen. Ein besonderes Stück Literatur – damit schließt der Band – ist der Bericht über Rosa Luxemburgs Verteidigungsrede am 12. Dezember 1906 vor dem Landgericht Weimar zum Thema Gewalt.

Band 7/1
Der Band 7/1 ergänzt vor allem den Band 5 (mit den großen nationalökonomischen Texten Rosa Luxemburgs) sowie einen Teil des Bandes 2; es handelt sich dabei um Texte aus den Jahren zwischen 1907 und 1909. 250 Seiten machen allein die Mitschriften der Schüler an der SPD-Parteischule Rosi Wolfstein und Jacob Walcher zur Wirtschaftsgeschichte und zur Nationalökonomie aus.

Für die Ausformung ihrer revolutionstheoretischen Auffassungen beschäftigte sich Rosa Luxemburg nach ihrer Rückkehr aus dem revolutionären Russland ausführlich mit der englischen Revolution des 17. Jahrhunderts. Im Zentrum steht die Frage nach der Rolle des Parlamentarismus in der Revolution. Hier knüpfte Rosa Luxemburg 1918 mit ihrer Kritik an der Verjagung der gerade gewählten Konstituante durch die Bolschewiki an (Band 4). Abgerundet wird der Band mit einem der wenigen auf Französisch verfassten Texte Rosa Luxemburgs.

Band 7/2
Der Band 7/2 ergänzt die Texte Rosa Luxemburgs in den Bänden 2 bis 4 für die Zeit zwischen 1910 und 1918. Am vom SPD-Parteivorstand 1910 abgebrochenen Wahlrechtskampf gegen das preußische Dreiklassenwahlrecht beteiligt Rosa Luxemburg sehr engagiert; ihre entsprechenden Reden und Beiträge werden hier dokumentiert. Auch wirft sie, die als Frau weder wählen durfte, geschweige denn gewählt werden durfte, sich auch 1911/12 in den Reichstagswahlkampf.

Das Thema »politischer Massenstreik« durchzieht seit 1905 ohnehin alle politischen Auftritte und Beiträge. Beim Thema Gebärstreik als eine Methode, dem Staat für einen künftigen Krieg Soldaten zu entziehen – ein Vorschlag, der gerade bei Berliner Arbeiterfrauen auf Resonanz stieß – steht Rosa Luxemburg zusammen mit Clara Zetkin ziemlich allein da: Beide plädieren für eine wachsende Arbeiterschaft als Garant für eine siegreiche Mehrheitsrevolution. Ab Herbst 1913 rückt der Kampf gegen den Militarismus, im ersten Halbjahr 1914 auch der Kampf gegen Soldatenmisshandlungen endgültig in den Vordergrund.

Eine Überraschung sind die aus dem Gefängnis geschmuggelten Texte für den heute kaum noch greifbaren Duisburger »Kampf«, der wegen eines Textes Rosa Luxemburgs im Juni 1917 verboten wurde. Natürlich konnten die Texte der Gefangenen nur anonym veröffentlicht werden. Diese Texte sind wichtige Zeitdokumente, denn sie spiegeln die Umbrüche des ersten Halbjahrs 1917 wieder: die zweite russische Revolution im Februar und die von Rosa Luxemburg und Leo Jogiches abgelehnte Gründung der USPD zu Ostern. Vernehmungsprotokolle, Kalender, geologische und botanische Notizen runden den Band ab.